Die Gemeinde Unterägeri hat das Mitarbeitergespräch 2.0 erfolgreich eingeführt

Die Gemeinde Unterägeri hat das Mitarbeitergespräch 2.0 vor einem Jahr eingeführt. Nach rund 130 durchgeführten Mitarbeitergesprächen zieht Personalleiter Walter Vattolo Bilanz.

Walter Vattolo, was kann die Gemeinde Unterägeri vom Schweizer Eishockey-Meister EVZ lernen?

Überraschend viel! Sowohl auf der Gemeindeverwaltung wie auch im Spitzensport geht es nicht nur um fachliche Fähigkeiten, sondern ums Miteinander. Nicht das Geld sollte im Zentrum stehen, sondern das positive Grunderlebnis im Alltag. Auf dieser Basis entstehen Glanzleistungen. EVZ-Trainer Dan Tagnes pflegt ein modernes Führungsverständnis, das für mich immer wieder inspirierend ist. Weshalb läuft es in gewissen Situationen gut, in anderen weniger? Wie gehen wir mit Niederlagen und Fehlleistungen um? Die Antworten auf diese Fragen müssen Teil der Organisationskultur werden.

Stichwort Kultur: Sie haben das Mitarbeitergespräch 2.0 vor einem Jahr auch mit dem Ziel eingeführt, die Kultur auf der Gemeinde zu verändern?

Richtig, ja. Das herkömmliche Mitarbeitergespräch zementiert das hierarchische Gefälle zwischen vorgesetzter Person und Mitarbeitenden. Es erzeugt mit der detaillierten Bewertung der Leistungen eine Lehrer-Schüler-Situation, die nicht mehr zeitgemäss ist. Wir wollen die Defizitorientierung hinter uns lassen und eine zeitgemässe Feedback-Kultur etablieren mit dem Mitarbeitergespräch 2.0.

Für die Lancierung des neuen Mitarbeitergesprächs haben Sie sich etwas Besonderes einfallen lassen, eine kleine Theateraufführung. Wie sind Sie darauf gekommen?

Nun, wir haben uns gedacht, dass Praxis über Theorie geht und das neue Mitarbeitergespräch in Form eines kleinen Theaters am schnellsten verstanden wird. Deshalb haben wir zwei Schauspieler engagiert, die das «Vorher» mit dem Aushandeln der «Noten» sowie das «Nachher» mit dem themenbasierten Gespräch hervorragend in Szene gesetzt haben. Diese Aufführung war Teil des Kick-offs für alle Mitarbeitenden. Die Vorgesetzten waren zu diesem Zeitpunkt bereits geschult.

Wie haben die Gemeinde-Mitarbeitenden den besonderen Launch aufgenommen?

Es war super, wir haben viel gelacht, da die Schauspieler den Vorgang natürlich zugespitzt haben. Der Wiedererkennungswert der mühsamen Lehrer-Schüler-Situation war sehr hoch. Auch die Vorteile der neuen Philosophie mit dem Gespräch auf Augenhöhe haben unsere Mitarbeitenden sofort verstanden. In die «alte Welt» wollte niemand zurück.

Sie haben die erste Runde mit insgesamt 130 Mitarbeitergesprächen hinter sich. Welche Feedbacks haben Sie und Ihr Team von Mitarbeitenden erhalten?

Das Feedback war durchwegs positiv. Wir haben eine grosse Erleichterung registriert. Die Mitarbeitenden haben sich gut vorbereitet und schätzten es, dass sie nun selbst Themen einbringen können. Ich habe den Eindruck, dass die Mitarbeitergespräche an Qualität und Tiefe gewonnen haben.

Ist das Mitarbeitergespräch leichter geworden?

Nein, nicht unbedingt. Ich würde sogar eher sagen, die locker-unverbindlichen Gesprächen waren früher häufiger, da viele die jährliche «Pflichtübung» nicht so ernst genommen haben. Heute sind Vorgesetzte und Mitarbeitende einfach anders gefordert und damit auch konzentrierter.

Gab es Unterschiede beim Feedback zwischen Frauen und Männern?

Interessanterweise ja. Frauen ist wiederholt aufgefallen, dass Soft Skills nun – je nach individueller Themenwahl – einen grossen Stellenwert einnehmen können, was gut ankam. Einige Männer hatten zu Beginn etwas Mühe, mit den Zwischentönen klarzukommen. Es ist halt vieles nicht einfach schwarz oder weiss. Bald haben aber auch sie Vorteile des neuen Systems erkannt. Andere Männer, etwa im Bereich der Bildung, sind von Beginn sehr natürlich damit umgegangen.

Wie kommen Ihre vorgesetzten Personen mit dem neuen Mitarbeitergespräch klar?

Das Mitarbeitergespräch 2.0. erfordert eine andere Gesprächskultur. Es geht um einen konstruktiven Dialog. Vorgesetzte müssen ressourcenorientierter denken und kommunizieren. Aus diesem Grund war es mir auch wichtig, dass ich das eine oder andere Erstgespräch begleitete und damit die einheitliche Anwendung sicherstelle. Diese persönliche Begleitung wurde geschätzt. Insgesamt habe ich unsere Vorgesetzten wesentlich entspannter erlebt. Es gibt mehr Raum für inhaltliche Aspekte, der Leistungsdruck wird kleiner.

Welchen Umgang pflegen Sie mit kritischen Themen?

Kritische Themen können und sollen via Zielformulierung integriert werden. Die Zielformulierung ergibt sich aus der Diskussion für die angestrebte Entwicklung. Sie kann entweder direkt an einzelne Gesprächsthemen gekoppelt oder übergeordnet formuliert werden. Die ganz grosse Kunst besteht darin, dass wirklich gute, sinnvolle und messbare Ziele festgehalten werden, und nicht bloss Massnahmen.

Als Beispiel: «Das Werkfahrzeug muss jeden Freitag gereinigt werden» ist kein sinnvolles Ziel für Werkhofmitarbeitende, das ist eine Massnahme. Passende Ziele könnten vielmehr so lauten: «Wir tragen Sorge zu unserem Material» oder «Wir achten auf eine angenehme Zusammenarbeit untereinander».

Ich habe den Eindruck, dass die Mitarbeitergespräche an Qualität und Tiefe gewonnen haben.Walter Vattolo
Personalleiter Gemeinde Unterägeri

Ihre Gesamteinschätzung aus HR-Sicht: Ist die Einführung gelungen?

Es war eine sehr gute Entscheidung, ja. Wir würden keinesfalls mehr in die alte Welt der Mitarbeiterbeurteilung mit den Standard-Formularen und der durchgängigen Benotung zurückwollen. Gottseidank bleiben uns diese unfruchtbaren Diskussionen nun erspart. Wichtig ist aber, dass wir dranbleiben. Diese Arbeit geht immer weiter. Man muss zurückfragen, Verknüpfungen herstellen, den Dialog wirklich aktiv leben, auch von Seite HR. Mir persönlich ist wichtig, die Zielformulierungen regelmässig durchzusehen. Nur so erhalte ich ein Gespür dafür, ob der Kerngedanke verstanden wurde.

Worauf legen Sie die Akzente im kommenden Jahr?

Ein Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Verankerung der neuen Dialog-Kultur ist die Rekrutierung und Beförderung. Wir brauchen Vorgesetzte, die kommunizieren können und wollen. Aus diesem Grund werden wir uns noch stärker auf diese Fähigkeiten achten. Es ist wie beim EVZ: der Club kann das beste Team haben, doch ohne Trainer, der den Zugang zu den Menschen findet und Vertrauen erhält, nützt alles nichts.

Zur Person:

Walter Vattolo ist Leiter Personal und Soziales bei der Gemeinde Unterägeri. Privat engagiert er sich als Staff-Mitglied in verschiedenen Funktionen für den EVZ und arbeitet unter anderen auch mit Meistertrainer Dan Tagnes zusammen.